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GESUNDHEITSPOLITISCHER BRIEF
Wöchentlicher Nachrichtenüberblick zur deutschen Gesundheitspolitik
GPB 08. KW 2015; Montag, 23. Februar 2015
Alles beschäftigt sich mit VSG, Krankenhausreform und AMNOG, und dann kommt auf einmal ein ganz neues Thema daher: Mit Krankschreibungen könnte man doch auch eine Woche warten, behauptet eine Studie der Universität Magdeburg und stützt sich dabei auf Daten aus Norwegen. Vielleicht ist es bald in Sachsen-Anhalt soweit, dass es norwegische Entfernungen zurückzulegen gilt, bevor einem ein Doktor eine Krankmeldung bescheinigt, aber bislang gilt, dass der Arzt für den AU-Zettel eigentlich recht gut zu erreichen ist und dass es deswegen kein Problem sein sollte, den bazillengeplagten Leib zum Doktor zu tragen, um sich Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Trotzdem: Füllt nicht in der Tat mancher offensichtliche, aber keineswegs behandlungsbedürftige Infekt die Arztpraxis, der einer medizinischen Inaugenscheinnahme kaum bedurft hätte? Zweifellos richtig, und insofern sind die Vorschläge der Magdeburger Uni durchaus eine Betrachtung wert. Die meisten Beschwerden bedürfen schließlich nicht mehr als einer ein- bis zweitägigen Bettruhe und schon ist der Arbeitnehmer wieder einigermaßen fit. Müsste er sich diesen Bedarf nicht ärztlich testieren lassen, könnte er sich umso besser im Bett pflegen und würde den Doc nicht die Pipeline für echt behandlungsbedürftige Patienten verstopfen. So gesehen also ganz vernünftig.
Leider ist jedoch fest davon auszugehen, dass die Entlassung der Arbeitsunfähigkeit aus der ärztlichen Testier-Pflicht den Krankenstand in deutschen Unternehmen nicht gerade verringern wird. Keine Ahnung, wie Norwegen das macht, aber ich würde meinen Hut darauf wetten, dass der deutsche Arbeitnehmer nicht pauschal so edel, hilfreich und gut ist, dass er diese Befreiung aus der Pflicht zur ärztlichen Begutachtung nicht zu manch gemütlichem Tag Im Bett, vor der Glotze oder gar auf der schwarzen Baustelle eines anderen Auftraggebers verbringen würde. Ich fürchte, das ist keine Misanthropie, sondern schlichter Realismus. Also doch in die Tonne mit den Idee aus Magdeburg? Nicht ganz, denn das Argument, dass hier – zumindest aus medizinische Sicht – relativ sinnfrei kostbare ärztliche Arbeitszeit mit der Begutachtung von Triefnasen und rasselnden Bronchen verbracht wird, die ohnehin besser daheim geblieben wären, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Was also könnte getan werden, um den echten medizinischen Notfall einer ärztlichen Behandlung zuzuführen und den Bagatellen die Möglichkeit zu geben, sich zu Hause auszukurieren?
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