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GESUNDHEITSPOLITISCHER BRIEF
Wöchentlicher Nachrichtenüberblick zur deutschen Gesundheitspolitik
GPB 03. KW 2014; Montag, 20. Januar 2014
Ob die Ärzteschaft etwas lernt? Es wäre ihr und uns zu wünschen, denn ihr Umgang miteinander ist nicht nur verletzend, kräftezehrend und oft einfach nur peinlich, er ist auch – wie das Beispiel Andreas Köhler zeigt – schlicht gesundheitsgefährdend. Es ist und bleibt unbegreiflich, wie ein Berufstand, der sich akademisch nennt, sich mit solcher Lust an Intrigen, Schmähungen und persönlichen Verletzungen um Ansehen und politischen Einfluss bringen kann. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat letztlich daraus seine Konsequenzen gezogen und für den 1. März seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen verkündet. Köhler, dessen Haut dünner ist, als seine Physis und sein gelegentliches Auftreten es nahelegen, hat damit – nach einer Woche “Probelauf” in seinem KBV-Büro – dem schweren Herzinfarkt im November Tribut zollen müssen, dessen Ursachen mit dem Umgang der Ärzteschaft untereinander in ziemlich direktem Zusammenhang stehen dürfte. So, liebe Ärzte, verbrennt man die Besten, und man vertreibt aus der Profession (also nicht nur aus der gesundheitspolitischen Vertretung, sondern auch aus der Patientenversorgung), wer sich vielleicht in eher mitteleuropäischen Umgangsformen den in jedem Beruf unvermeidlichen kollegialen Auseinandersetzungen stellen möchte.
Was geht schief in der ärztlichen Sozialisation? Das Kernproblem könnte sein, dass innerhalb der Ärzteschaft und der medizinischen Ausbildung die konfliktäre Auseinandersetzung auf gleicher Augenhöhe kaum geübt, schlimmer noch, vielleicht noch nicht einmal als notwendige Kulturleistung im Umgang miteinander begriffen wird. Ärztliches Sozialdenken – so jedenfalls mein Eindruck – ist stark hierarchisch geprägt und teilt deutlich in oben und unten. Das mag im Notfall in der ärztlichen Praxis seine Berechtigung haben, als Kommunikationsgrundlage sind diese Hierarchien schlicht vorgestrig, denn sie verhindern eben gerade die Konfliktlösung auf Augenhöhe. Zum anderen ist aber der ärztlichen Sozialisierung noch immer die ursprüngliche Herkunft aus dem Militär deutlich anzumerken. Dies gilt vor allem im Krankenhaus, das letztlich jeder Arzt als wichtigen und vermutlich prägenden Abschnitt seiner Ausbildungsbiographie durchlaufen muss. Und zu fragen ist schließlich auch, ob Nummerus Clausus und Multiple Choice die richtigen Instrumente sind, um die angehende Ärzteschaft mit der nötigen Sozialkompetenz in späteren beruflichen Auseinandersetzung und mit der nötigen Empathie für eine zugewandt, einfühlende Patientenbehandlung auszustatten. Das alles gilt natürlich nicht für den einzelnen Arzt (also den Genotyp), könnte aber doch seine Berechtigung für den ganzen Berufstand, den Phänotyp gewissermaßen, haben.
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