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GESUNDHEITSPOLITISCHER BRIEF
Wöchentlicher Nachrichtenüberblick zur deutschen Gesundheitspolitik
GPB 45. KW 2014; Montag, 10. November 2014
25 Jahre nach Fall der Mauer wird man vielleicht sagen dürfen und sagen müssen, dass nicht alles schlecht war in der DDR. Im Gesundheitswesen beispielsweise sucht die Politik im wiedervereinigten Deutschland noch immer nach dem rechten Maß zwischen geplanter Führung, staatlicher Rahmensetzung, konkreter Ausgestaltung durch die Selbstverwaltung und dem freien Spiel der Kräfte im Wettbewerb. Nicht immer hat man dabei den Eindruck, dass Politik und Kommunen den Mut (oder das Geld) haben, Dinge in eigener Verantwortung zu führen und umzusetzen, die in der Selbstverwaltung ausgesessen werden oder im Wettbewerb der Akteure keinen Markt finden. So unterscheidet sich beispielsweise die Impfdisziplin in Ost und West deutlich. Damit soll keine diktatorischen Impfpflicht das Wort geredet werden, aber man könnte schon auf den Gedanken kommen, dass es ein wenig der stärkeren kommunalen Führung (und politischer Verantwortung) bedürfte, wenn Impfquoten besser werden sollen. Vielfach werden nämlich Impfungen und Auffrischungen schlicht verstolpert, da – abgesehen von den Routine-Untersuchungen bei Kindern – niemand einen Überblick über den Impfstatus hat und haben will. Wir brauchen hier sicher kein staatliches Pflichtsystem, aber so ganz im Laissez-faire sollte man das Impf-Controlling vielleicht auch nicht verrieseln lassen. Auf irgendeinem Mittelweg hätte man sich vielleicht einpendeln können, wenn mehr auf die Strukturen des DDR-Gesundheitssystems geachtet worden wäre.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Zurücksetzung der nicht-ärztlichen Heil- und Assistenzberufe. Besonders bei multimorbiden und pflegebedürftigen Patienten fehlt die – auch räumlich – verbindende Profession zwischen Arzt, Arztpraxis und Pflegebett. Die mühsamen Versuche, jetzt Modelle nach „Schwester Agnes“ neu ins Leben zu rufen (die bereits am Namen zeigen, dass sie sich an alten DDR-Institutionen orientieren), sind ein Hinweis darauf, dass mit der nahezu kompletten Abwicklung des DDR-Gesundheitssystems auch einige soziale Errungenschaften in den Orkus der Geschichte gespült wurden, die jetzt mühsam neu belebt und „erfunden“ werden müssen. Es gibt halt neben (und zwischen) Ärzten und Patienten noch einige Gräben zu überwinden, für deren Schließung sich irgendjemand verantwortlich fühlen sollte. Und wenn es „nur“ um Fragen des Transports, der Zugänglichkeit und der sozialen oder routinemäßigen medizinischen Betreuung geht. Auch hier, so der Eindruck, war in den jetzt „neu“ genannten Bundesländern das Netz dichter und die Abstufung enger.
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